Achsen
Schwingarme überholen


Dieser Artikel ist in der Clubzeitschrift des Citroen SM Clubs Deutschland erstmals erschienen. Die Clubzeitschrift erscheint für Mitglieder regelmäßig und beinhaltet stets aktuelle Erlebnisberichte, technische Artikel sowie Informationen über die aktuelle Ersatzteillage. Weitere Informationen auf der Clubseite.

von Andreas Heene

 


Der SM hat bekanntermaßen die Achskonstruktion der DS geerbt mit der Verbesserung, dass die Vorderachsschwingen ,,gezogen” werden und nicht geschoben, wie bei der DS. Das führt nochmals zu einem besseren Fahrverhalten, verlangt aber vom Rahmenausleger des Chassis etwas bessere Steifigkeit.

An der Vorderachse haben wir es auf jeder Seite mit je zwei Schwingarmen zu tun, die aus geschmiedetem Stahl bestehen und in einem gegossenen Alublock als Achsaufnahme sitzen (3). Die Lagerung der Schwingen erfolgt in Kegelrollenlagern, deren äußerer Lagerring in das Alugehäuse eingepresst ist. Die hinteren, hochbelasteten Lager sind geteilt, d.h. sie bestehen aus Innenteil und Rollenkäfig, die äußere Lagerschale ist separat und war früher auch einzeln käuflich.



Nun haben die SM baujahrbedingt 27 bis 32 Jahre auf dem schönen Buckel, die Fettfüllungen in den Lagern natürlich auch. Durch den Betrieb und die Bewegungen der Schwingarme ergeben sich in den Lagern auch natürliche Abnutzungserscheinungen. Durch Undichtigkeiten, weil alte und poröse Simmerringe (12+20) an den Schwingenausgängen ein Übriges durch Einlassen von Nässe tun, natürlich auch.

Alles das zusammen führt zu einer recht großen Schwergängigkeit der Schwingen, die zwar von den 180 Atü der Federung noch überdrückt werden, aber nicht eben zum feinen Ansprechverhalten der Federung beitragen. Eine neue Lagerfläche einer Schwinge ist fein geschliffen, eine, die man aus einem 200 000km-SM ausbaut, schaut eher einem Zahnrad ähnlich. Die Rollen der Lager sitzen hier in richtigen Löchern, die sie herausgearbeitet haben durch Materialausbruch. Durch den Lagerdruck wird die weichere Oberfläche der Schwinge komprimiert und die harte, komprimierte Metallschicht fällt im Zuge der Bewegungsvorgänge heraus. Dass ein Satz Lagerrollen, die in Vertiefungen sitzen, einige Anstrengung benötigen, um aus ihren Löchern herausgedreht zu werden, liegt auf der Hand. Die Drehbewegung solcher Schwingarme ist gleichsam verriegelt, die Federung damit schlechter als die eines Stahlfedernautos. Diese Verschleißspuren kommen dadurch, dass die Lagerrollen wegen des geringen Drehwinkels der Schwingarme in den Lagern immer im gleichen Bereich laufen müssen und sich niemals ganz herumdrehen. Da sich große Teile wie die Schwingen auch nicht so gut härten lassen wie die kleinen Lagerteile, geht bedauerlicherweise die Schwinge als erstes kaputt.

Wobei bei einem Gegenlager von einer Schwingenlaufflache wie oben gezeigt, auch das Lager in den Schrott gehört, Durch die Restaurierung meiner beiden SM und durch diverse Schlachtungen habe ich zum Zustand der vorderen Schwingarmlagerungen folgendes festgestellt:


- Die rechte Seite ist naturgemäß stärker verschlissen, weil man da öfter in den rauhen Straßenrand gerät und die Belastungen somit höher sind.

- Die Fette sind hart wie Wachs, die Schmierfähigkeit ist fraglich und natürlich eh nicht mit heutigen Fetten vergleichbar.

- Die Simmerringe sind ausnahmslos hinüber. Die sind in ihrer Gummistruktur immer radial total hart und rissig und nicht mehr dicht.

- Bis ca. 80.000km sind meist nur geringe Laufspuren auf den Lagerflächen der Schwingen ohne Ausbrüche. Bei Kilometerständen um Ca. 120.000km wird es schon kritisch, da ist die Grenze erreicht, wo man die Lagerflächen meist nicht mehr restaurieren kann. Bei 160.000km bis 200.000km sieht's dann aus wie oben beschrieben. Also mechanisch gesehen Schrott.


Ich hatte bei meinen beiden SM weitgehend Glück. Der Einspritzer hatte erst 80.000km und der Automatic 125.000km. Nur beim Automatic waren auf der rechten Seite die Schwingen nicht mehr gut und wurden ersetzt. Alle anderen Achsteile konnten nach dem Zerlegen und dem Nachschleifen der Lagerflächen der Schwingen wieder eingebaut werden.

Aber wie kam ich dazu, die Schwingen selber zu machen? In Holland gibt es eine Firma, die die Achsen überholen kann. Die Schwingen werden an den verschlissenen Lagerflächen abgedreht und neue Normlager aufgepresst. Dazu gibt es aber auch Ansichten in der Fachwelt, dass die Schwingen durch das Abdrehen zu arg geschwächt würden, ein Risiko, das ich nicht eingehen wollte, obwohl es vielleicht etwas weit hergeholt ist.

Das ausschlaggebende Argument war, dass die Überholung einer Achshälfte €500.- kosten sollte, was mir zuviel war. Da habe ich Werkzeugkataloge gewälzt und festgestellt, dass ich für den halben Invest-Betrag zweier Achshälften mir locker das Spezialwerkzeug kaufen konnte und damit die Achsen auf original zu restaurieren wären. Es wurde dann der große Abzieher-Satz von KUKKO. Da sind alle Lagerauszieher und das Zeug drin in ähnlicher Form wie im Werkstatthandbuch beschrieben. Zumal ich auch noch einen Satz neue Schwingen im Lager liegen hatte, die ja zu verwerten waren - es sind Übrigens nicht die gleichen wie beim DS. Die vom DS sind etwas fetter und am Auge für den Kugelkopf nicht gekröpft.



Hinzu kamen diverse Spezialwerkzeuge, die ich mir in einer Dreherei nach den Zeichnungen im Werkstatthandbuch machen ließ. Sie dienen dazu, die Simmerringe richtig einzubauen, nicht zu reden von zwei großen Nüssen mit bescheuerter Zoll-Schlüsselweite für diverse Achsmuttern.

Als dann alles beisammen war und auch neue Lagersätze (woher kriegt man die??) und Simmerringe gebunkert waren, ging’s los:

Als ersten Schritt misst man mit einem Spezialwerkzeug von Citroen (2 Konusdorne, siehe Werkstattheft), ob die Augen der Schwingen richtig zueinander stehen. Tun sie es, und die Schwingen stellen sich nachher als weiter verwendbar heraus, kann man nach dem Überholen alles wieder wie vorgefunden zusammenbauen.

Stimmt es nicht, muss man die Schwingenlager mit anderen Passscheiben unterlegen. Die hat man nur, wenn man Glück hat, aus Schlachtungen anderer Achsen oder man muss sie sich machen lassen. Vielleicht könnte der Club mal nachmachen?

Also dann die Achsen zerlegen: Die Muttern öffnen, dann die Schwingen mit einem 20mm dicken Messingrund und dem schweren Fäustel heraus treiben. Drinnen ist total baziges uraltes Fett .Die Lagerteile werden mit Blumenbindedraht zusammen gebunden um später nichts zu verwechseln und in eine Schale mit Reinigungsflüssigkeit zum Entfetten gelegt. Für die Reinigung einer Achse gehen Übrigens einige Lumpen drauf, das ist ein übler und schmieriger Job. Ich hasse diese Sauerei.

Dann die Achsblöcke grob vorgereinigt und auf eine Halterung im Schraubstock gespannt Und jetzt kommt die Stunde der Auszieher - das ist eine Art Abzieher, der wie ein Spreizdübel funktioniert und in die Achse eingebracht wird. Damit kann man dann sehr schön die Lagerringe herausziehen. Unter den Lagerringen liegen die Distanzscheiben, mit denen die Radgeometrie genau eingestellt wird, diese Scheiben sollte man also in richtiger Zuordnung lagern.

Nun alles ganz sauber machen. Kontrollieren sollte man auch die Parallelität der Achsen des Schwingenblockes. Auch hierzu könnte man sich ein Werkzeug bauen und zwei kalibrierte Stangen durch die Achsbohrungen stecken, um die Parallelität zu peilen. Aber ich habe das immer einfacher gemacht, indem ich überprüft habe, ob die vier AufIagebuchsen der Achse zum SM-Rahmen ohne zu wackeln auf einer gerade geschliffenen Richtplatte liegen. Wenn ja, sollte alles o.k. sein.

Jetzt werden die neuen Schwingen und Lager eingebaut bzw. eingepresst. Also gut, ich haue die auch mit einem Fäustel und einer speziellen Messingstange rein. Dann neu fetten, wieder zusammenbauen und messen, ob die Augen der Schwingen im Messwerkzeug richtig stehen. Wenn nicht, alles noch mal von vorne. Also alles zerlegen, neuen Distanzring rein und wieder alles montieren.

Probieren und wiederholen solange bis es passt. Wenn man durch ist, noch mal alles entfetten und in schwarz lackieren. Dazwischen gibt es noch einige Detailprobleme. Zum Beispiel die Simmerringe an den Ausgängen der Schwingarme. Die sind mit dem originalen Ringsteg, wenn Überhaupt, dann teuer und nur in schlechter, weil uralter, brüchiger Qualität zu bekommen. Da ich die Achsen zu meinen Lebzeiten nicht mehr öffnen möchte, habe ich hierzu Normprodukte von Simrit gesucht und eingebaut. Die neuen Teile sind allerdings nur in 10mm Dicke zu bekommen, die originalen sind 5mm dick. Das macht aber nichts, denn die Durchmesser innen und außen passen perfekt.

Auch haben die originalen einen Ringsteg, der nach außen Übersteht und mit dem auf der Schwinge befindlichen Blechring einen Spritzwasserschutz bildet. Aber da vertraue ich ehrlich gesagt lieber dem neuen Ring als dem alten Bröseligen mit Ringsteg. Der andere Simmerring am Federhebel der oberen Schwinge hat die gleichen Maße, nur ist hier im Original kein Ringsteg zu finden. Also passen hier die neuen Ringe perfekt, auch hier ist allerdings wieder der Dickenunterschied von 5mm auf 10mm, der aber unterzubringen ist. Wobei Lieferanten wie Firma Schneider oder Jochen Hoch mitunter auch die dünnen Simmerringe mit 5 mm Dicke, aber auch ohne Ringsteg, liefern können.

Ich brauche, da ich Ersatzteile immer auf Vorrat liegen habe, für eine Überholung eines Achsenpaares so ca. einen halben Tag. Ich habe das bei meinen beiden gemacht und bei dem von Horst Lommel, die 3 federn jedenfalls wie Butter.

Gemerkt habe ich den Unterschied übrigens am Einspritzer, den ich mal gefahren hatte nach einem Ausritt auf dem neuen Automatik-SM. Der Unterschied zwischen überholten Achsen und alten war so frappierend im Federungsverhalten, dass eben auch der IE dran glauben musste und ich eine Schwingenrettung unternommen habe.

Nun ist aber die Frage, wann andere SM-Eigner sich den Beinen Ihres Autos widmen. Die können sich aber das obige Thema auch einfacher machen - unser geschätzter Teileservice hat nämlich meist 2…4 überholte Achshälften auf Lager liegen. Allerdings nicht von mir gemacht, sondern von dem besagten holländischen Betrieb. Der Tausch ist dann eine schöne Wochenendarbeit, man muss dazu nur den halben Vorderwagen zerlegen. Nur der Motor kann drin bleiben. Aber auch nur, wenn man es geschickt anstellt...